Kultur als Lebensmittel
Stefanie Sargnagel. Statusmeldungen (2017)
Dass es sowas noch gibt, ich glaub's nicht! Ein wirklich neuer Ton in der Literatur: hier ist er.
(Elfriede Jelinek)
Videoporträt zum Bachmannpreis 2016:
http://bachmannpreis.orf.at/stories/2773162/
Das Wienerische der „Flächenbezirke“ war schon unzählige Male der Nährboden für künstlerische Ausdruckformen. Seit einigen Jahren nützt eine neue Generation die vielfältigen Möglichkeiten der „auf der Straße“ gesprochen Sprache. Stefanie Sargnagel ist von Kind auf mit ihr vertraut und nennt Christine Nöstlinger als ihr frühes Vorbild. Begegnungen mit dem „bürgerlichen“ Milieu im Gymnasium und später an der Akademie der Bildenden Künste bestärkten sie schließlich darin, nicht nur sprachlich sondern auch in ihrem Lebensentwurf einen eigenen Weg zu gehen. Die Arbeit in einem Call Center regte sie dazu an, die reduzierten Sprechformen und teils skurrilen Anfragen, teilweise ergänzt durch Zeichnungen, über die soziale Medien zu verbreiten. Das Echo war enorm.
Mit roter Baskenmütze, Bierflasche und Zigarette stilisiert sie ihr Image. Interviewfragen beantwortet sie mit doppelbödiger Nonchalance.
https://cms.falter.at/falter/rezensionen/
buecher/?issue_id=603&item_id
=9783950335989,
2013 fällt der Entschluss, Internet-Texte als Buch zu veröffentlichen. (Binge Living: Callcenter-Monologe)
Bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur 2016 gewinnt sie mit dem Text „Penne vom KIKA“ den Publikumspreis (Facebook-Follower!) und ist somit 2017 ein halbes Jahr Stadtschreiberin von Klagenfurt. (Der Juror Hubert Winkels: „Der Text tut so, als ob er einfach und authentisch ist, es ist aber komplexe Literatur.“ (siehe Diskussion IBP)
Seit der Gründung der Akademischen Burschenschaft Hysteria zu Wien, eines satirischen, feministischen Projekts, nehmen die „shitstorms“ gegen die Künstlerin zu. Offener Brief: «Eure Wut beflügelt mich, eure Angst nährt mein gerechtes Herz. Der Versuch, mich leise zu kriegen, lässt mich in die Exosphäre schießen. Ich bin euer schlimmster Albtraum, und das spürt ihr …»
Ihr viertes Buch „Statusmeldungen“ ist 2017 bei Rowohlt erschienen und setzt die bewährte Mischung aus Internet-Texten und ihren unverwechselbaren Zeichnungen fort.
Der Tagesspiegel: «Ob ihre Texte nun Literatur, Satire oder Journalismus sind, ist letztlich unerheblich. Sie sind alles zusammen; aber vor allem sind sie genuine Internet-Texte, die zeigen, dass die sozialen Medien ihre eigenen Formen und Stars hervorbringen.»
Und so schließt sich der Kreis: Bei ihren Lesungen fügt sie ihren Texten alle Schattierungen des Wienerischen hinzu. Der Tourneeplan und die Veranstaltungsorte im gesamten deutschsprachigen Raum beweisen, dass die vielseitige Künstlerin (Auftritte mit Vodoo Jürgens) mit ihrem humorvoll gebrochenen Blick auf Kleinst-Themen die Stimmung nicht nur ihrer Generation trifft.
https://www.youtube.com/
watch?v=nvor9ohptBI
Sprache & Identität
nua ka schmoez ned how e xogt!
nua ka schmoez . .
aus:
h.c. artmann: med ana schwoazzn dintn. salzburg. 1958. s 7
Es tut keiner Muttersprache weh, wenn ihre Zufälligkeiten im Geschau anderer Sprachen sichtbar werden. Im Gegenteil, die eigene Sprache vor die Augen einer anderen zu halten, führt zu einem durch und durch beglaubigten Verhältnis, zu einer unangestrengten Liebe.
Herta Müller, Aus: Der König verneigt sich und tötet. Carl Hanser Verlag, München Wien 2003
Dafür entpuppten sich die Italiener aus dem italienischen Restaurant nebenan als Griechen. Nachdem sie den Laden übernommen hatten, waren sie zur Volkshochschule gegangen, um dort Italienisch zu lernen, erzählten sie mir . . .
Berlin ist eine geheimnisvolle Stadt . . . Nichts ist hier echt, jeder ist er selbst und gleichzeitig ein anderer.
Wladimir Kaminer. Geschäftstarnungen Aus: Russendisko, 1. Aufl. 2002. S. 97 ff